Das
vierfache Lottchen
FORUM: Tilda Swinton in "Teknolust"
Wissenschaftsfiktion. Rosetta, eine ehrgeizige junge Forscherin, hat im
Geheimen drei Doppelgängerinnen herangezüchtet, sogenannte SRA's,
Self-Replicating Automatons - Individuen, die Rosettas Erbmasse tragen,
die aussehen wie sie, die Rosettas ganzer Stolz sind. Trotzdem hält sie
sie in ihrem Haus versteckt und kommuniziert nur per Computerstandleitung
mit den drei Frauen. Keiner, auch nicht ihr Kollege im Labor, darf von
deren Existenz erfahren. Die drei Frauen leben in kühlen, jeweils
einfarbigen Räumen: Ruby trägt rot und schläft in einem roten Bett, Marine
in Blau, Olive in Grün. Ihre Energie beziehen die SRA's aus männlichem
Sperma, das von Ruby bei Ausflügen in die reale Welt
zusammengetragen und dann als Tee oder Infusion an ihre Schwestern
verabreicht wird. So weit, so abstrus. "Teknolust", der neue Film der
Regisseurin Lynn Hershman Leeson ("Conceiving Ada"), fordert vom Zuschauer, sich auf dieses
konstruierte Gedankenexperiment einzulassen. Der Look, die Musik, der
Rhythmus des Films führt dabei von Anfang an stimmig in diese
halbvirtuelle Welt, in der Ruby über eine Webseite mit Männern
kommuniziert, sich in ihre Träume setzt ("E-Dream with me");
eine Welt, in der sich,
und da beginnen für die etwas weltfremde Schöpferin Rosetta die Probleme,
Computerviren auf Menschen übertragen, auf jene Männer nämlich, die SRA
Ruby als Spermaquelle auswählt. Die seltsame Krankheit Dutzender Männer,
die alle von einem ultimativen Safer-Sex-Erlebnis mit einer mysteriösen
roten Langhaarigen berichten, ruft einen Agenten auf den Plan, der
Rosettas Geheimnis immer näher kommt. Die hat derweil noch mehr Probleme.
Die drei Zöglinge werden zunehmend selbständig, entwickeln eigene Wünsche,
einen eigenen Willen und beginnen, sich ihrer "Mutter" zu widersetzen.
Bei aller Faszination wird die Geschichte bisweilen zwar auch etwas krude,
Tilda Swinton in allen vier Hauptrollen rettet den Film aber immer wieder vor dem
drohenden Abgrund des Klischees und gibt jeder der Frauen ein eigenes,
unverwechselbares Gesicht. Jeremy Davies, der - in einer Nebenrolle - eines
der künstlichen Geschöpfe auf ihrem Weg in ein reales Leben begleitet, ist
wieder einmal der leicht spinnerte Außenseiter, der sich in eigenen Welten
bewegt und andere nur schwer daran teilhaben läßt - wirkt aber nur wie ein
müder Abklatsch seiner selbst aus Wim Wenders' "Million Dollar Hotel" vor
drei Jahren.
Schön schräg das Ganze, visuell treffend umgesetzt, und immer wieder
schwankt "Teknolust" zwischen spannendem Gedankenspiel und banaler Science Fiction.
Hartmut Burggrabe
Teknolust
von Lynn Hershman Leeson -
USA 2002, 83
min |
°°° |
mit Tilda
Swinton, Jeremy Davies, Karen Black, James Urbaniak |
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